Der Bundesrat wird beauftragt, die zolltarifliche Begünstigung der Importe von Halbfertig- und Fertigprodukten des Zolltarifkapitels 19 – insbesondere Teiglinge und Backwaren – aufzuheben.
Grund des Vorstosses:
In den letzten 10 Jahren hat sich die Einfuhr von Halbfertig- und Fertigprodukten mehr als verdoppelt und liegt heute bei 300’000 Tonnen pro Jahr (vgl. jährliche gemahlene Menge Brotgetreide in der Schweiz: 400’000 Tonnen). Gleichzeitig hat das Schweizer Brotgetreide kontinuierlich an Marktanteilen verloren. In den letzten 20 Jahren ist die Fläche an produziertem Brotgetreide um mehr als 20’000 ha gesunken. Da der Pro-Kopf-Verbrauch stabil geblieben ist (ca. 50 kg Backwaren pro Jahr und Kopf) und gleichzeitig die Einwohnerzahl massiv zugenommen hat, wurde der Import rasant gesteigert. Dies entwickelte sich gar soweit, dass regelmässig hochwertiges Schweizer Brotgetreide zu Futtergetreide deklassiert werden muss, weil es von billig importierten Backwaren und Teiglingen zu stark konkurriert wird. Der Selbstversorgungsgrad von Brotgetreide in der Schweiz liegt bei 67% (Agrarbericht 2021): Eine Aufhebung dieser zolltariflichen Begünstigung ist entsprechend unumgehbar! Insbesondere auch da dabei auch Praktiken und Produkte zum Einsatz kommen, die bei uns verboten sind und zu Pestizidrückständen führen, welche wir mit diesen Produkten importieren. Die aktuelle zolltarifliche Begünstigung hemmt und gefährdet die Brotgetreideproduktion der Schweiz und die gesamte pflanzliche Produktion, obwohl diese politisch stets gefordert wird und sogar ausgebaut werden soll.
Antwort des Bundesrates:
Die Zölle für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse, darunter auch für die Backwaren in Kapitel 19 der schweizerischen Zolltarifstruktur, sind im Bundesgesetz über die Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (SR 632.111.72) geregelt.
Die Zollabgaben für diese Erzeugnisse bestehen aus einem fixen Industrieschutzelement und einem variablen Agrarschutzelement (beweglicher Teilbetrag). Das Agrarschutzelement soll für die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelindustrie den Preisnachteil der heimischen Agrarrohstoffe ausgleichen. Um sicherzustellen, dass der Ausgleich den Marktbedingungen entspricht, werden die beweglichen Teilbeträge regelmässig angepasst.
Die Berechnung und Anpassung dieser beweglichen Teilbeträge im Rahmen des Normaltarifs erfolgt auf der Grundlage der Preisunterschiede bei Agrarrohstoffen zwischen der Schweiz und dem Weltmarkt.
Im Jahr 2023 stammten 93 Prozent der Importe von Backwaren (wert- und mengenmässig) aus den EU-Mitgliedsländern. Diese erfolgen gemäss den Bestimmungen des Protokolls Nr. 2 des Freihandelsabkommens von 1972 zwischen der Schweiz und der EU. Laut diesem Protokoll, das 2004 im Rahmen der Bilateralen II modernisiert wurde, wendet die Schweiz für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse aus der EU kein Industrieschutzelement an. Hingegen behält sich die Schweiz vor, einen beweglichen Teilbetrag für den Agrarschutz abzuschöpfen. Im präferenziellen Handel mit der EU wird allerdings die Differenz zwischen den Schweizer Preisen und den tieferen Rohstoffpreisen in der EU berücksichtigt (Nettopreisausgleich) und nicht auf den Unterschied zwischen den Schweizer und den − noch tieferen − Weltmarktpreisen abgestellt. Dieser Mechanismus trägt dazu bei, das Weiterbestehen der Schweizer Verarbeitungsindustrie zu gewährleisten.
Um Zollpräferenzen, die der EU gewährt werden, ändern zu können, müsste das Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der EU und insbesondere das Protokoll Nr. 2 neu verhandelt werden. Vorausgesetzt, die EU wäre zu solchen Neuverhandlungen bereit, müsste die Schweiz mit Gegenforderungen rechnen, beispielsweise für den Handel von Basisagrarprodukten und landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen. Aus diesem Grund sind solche Verhandlungen nach Ansicht des Bundesrates nicht im Interesse der Schweiz, weshalb er darauf bestanden hat, das Freihandelsabkommen aus dem aktuellen Verhandlungspaket zwischen der Schweiz und der EU vollständig auszuklammern.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Chronologie:
Annahme
26.09.2024
Nationalrat