Das Bundesgerichtsgesetz (BGG) ist wie folgt anzupassen: Die gerichtliche Revision eines letztinstanzlichen schweizerischen Urteils aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bedarf der Zulassung durch die Bundesversammlung. Sie prüft, ob aufgrund des Urteils des EGMR Gesetzesänderungen anzustreben sind. Falls sie die Revision nicht zulässt und auf eine Gesetzesänderung verzichtet, bleiben die geltenden Gesetze massgebend.
Grund des Vorstosses:
Der EGMR hat seine Verdienste. Doch in Strassburg ist vermehrt überbordender Aktivismus anzutreffen. Dies hat die Europaratsstaaten dazu bewogen, das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu verankern. Per 1. August 2021 haben sie bekräftigt, «dass es nach dem Grundsatz der Subsidiarität in erster Linie Aufgabe der Vertragsparteien ist, die Achtung der in der EMRK bestimmten Rechte und Freiheiten zu gewährleisten, und dass sie dabei über einen Ermessensspielraum verfügen» (15. Zusatzprotokoll).
Diverse jüngere Urteile zeigen, dass sich der EGMR darum foutiert. Das «Klimaseniorinnen-Urteil» ist nur die Spitze des Eisbergs. Selbst der frühere Bundesgerichtspräsident Meyer (SP) schrieb, damit habe der EGMR eindeutig den Rubikon überschritten. Auch in anderen Fällen hat der EGMR keine Scheu gezeigt, aus dem sehr unbestimmten Art. 8 EMRK in ausufernder Rechtsprechung staatliche Schutzpflichten grösster Tragweite abzuleiten. So hat er die Schweiz verurteilt, weil die Witwerrente ab Volljährigkeit der Kinder erlischt – obwohl Sozialversicherungen nicht unter Art. 8 EMRK fallen. Auch hat er Dänemark verurteilt, weil vorläufig Aufgenommene ihre Familien erst nach drei statt zwei Jahren nachziehen können.
Mit dieser aktivistischen Rechtsprechung schwingt sich der EGMR zum Gesetzgeber auf – über die Bundesversammlung und das Volk. Mit einer solchen Entwicklung hat in der Schweiz bei Ratifizierung der EMRK im Jahr 1973 niemand gerechnet.
Das Problem lässt sich mit einer Anpassung von Art. 122 BGG entschärfen. Einen entsprechenden Revisionsautomatismus kennt – soweit ersichtlich – kein anderer Staat. Angesichts der hochpolitischen Aussagen des EGMR ist die Umsetzung seiner Urteile dort anzusiedeln, wo politische Fragen nach schweizerischem Verständnis zu entscheiden sind: in der Legislative. Der gerichtlichen Revision ist daher ein politischer Zulassungsentscheid vorzulagern.