20.234396 Die Schweiz entscheidet bei Pandemien und Epidemien souverän und ohne ausländischen Zwang

Grund des Vorstosses:

1. In der Schweiz wurde die epidemiologisch motivierte Besondere Lage gestützt auf obige Bestimmung des Epidemiengesetzes (EpG) erstmals am 28. Februar 2020 ausgerufen und erst nach mehr als 2 Jahren per 1. April 2022 wieder aufgehoben.
2. Auch wenn sich die Daten der WHO-Pandemie und der Besonderen Lage nicht genau decken, ist ein Zusammenhang zwischen der WHO-Pandemie und dem verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand der Besonderen Lage in der Schweiz nicht von der Hand zu weisen.
3. Gemäss aktuell massgebenden Entwürfen zur Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und zum neuen Pandemievertrag der WHO sollen die Gründe zur Rechtfertigung von WHO-Pandemien ins Unbestimmte erweitert werden (z.B. „neue Subvarianten der Grippe“; „Klimawandel“ etc.). Es ist deshalb zwangsläufig mit mehr und mit längeren WHO-Pandemien zu rechnen. 
4. Weil zudem inskünftig die WHO-Empfehlungen für die Unterzeichnerstaaten  völkerrechtlich verpflichtend sein sollen (angepasste Art. 1; 13A; 42; 53A; 54bis IGV in Verbindung mit Art. 18 IGV), ist es zwingend geboten, die heute noch bestehende im Gesetz verankerte Verbindung zwischen Ausrufung der Gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite durch die WHO einerseits und dem Ausnahmezustand Besondere Lage in der Schweiz sowohl nach Wortlaut also als auch vom Sinn und Zweck der Bestimmung her ganz klar zu trennen. Ansonsten könnte die Souveränität der Schweiz und die verfassungsmässige Kompetenz- und Grundordnung der Schweiz durch willkürlich ausgerufene WHO-Pandemien immer häufiger und immer länger aufgehoben oder beschädigt werden.

Antwort des Bundesrates:

Der Bundesrat beurteilt eine solche Änderung des Epidemiengesetzes (EpG; SR 818.101) als nicht erforderlich, weil dies bereits heute sichergestellt ist. Das EpG sieht aktuell vor, dass der Bundesrat unter Mitwirkung der Kantone Ziele und Strategien zur Erkennung, Überwachung, Vorbeugung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten festlegt (Art. 4 Abs. 1 EpG). Dabei werden auch internationale Empfehlungen und Richtlinien berücksichtigt (Art. 4 Abs. 2 EpG). Der Bund und die Kantone treffen insbesondere die erforderlichen Massnahmen, um Gefahren und Beeinträchtigungen der öffentlichen Gesundheit rechtzeitig zu verhindern und zu begrenzen. Bei der Ausübung dieser Kompetenzen nach Artikel 4 EpG entscheidet die Schweiz also bereits heute souverän, welche Massnahmen sie im Umgang mit übertragbaren Krankheiten ergreift und auf welche wissenschaftlichen Grundlagen sie sich dabei stützt. Zwar ist die Ausrufung einer «gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite» durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemäss EpG eines der Kriterien zur Feststellung einer «besonderen Lage». Diese Ausrufung durch die WHO führt jedoch nicht automatisch zu einer «besonderen Lage» in der Schweiz, da diese immer eine Beurteilung der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in der Schweiz voraussetzt (Art. 6 Abs. 1, Bst. b in fine EpG). Wie in den Antworten auf die Interpellationen 23.4012 Grüter «WHO-Pakt unterläuft Schweizer Souveränität» und 23.4208 Friedli Esther «Geplanter WHO-Pandemievertrag. Es braucht mehr Informationen und Transparenz» erwähnt, beurteilt der Bundesrat die konkrete Gefährdung gemäss den in Art. 6 Abs. 1 EpG festgehaltenen Kriterien, die das Vorliegen einer «besonderen Lage» definieren.

 

Dass die Ausrufung einer «gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite» durch die WHO auch in der Praxis nicht automatisch zu einer «besonderen Lage» in der Schweiz führt, kann auch anhand von Beispielen aufgezeigt werden. Beispielsweise rief die WHO bezüglich des Zika-Virus eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» aus; da dieses Virus aber zu keiner Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in der Schweiz führte, waren Massnahmen im Rahmen einer «besonderen Lage» nicht erforderlich. Auch in der Covid-19-Pandemie hob der Bundestrat die «besondere Lage» am 1. April 2022 auf, während die WHO die «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» bis zum 5. Mai 2023 beibehielt.

 

Darüber hinaus sehen die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO (SR 0.818.103) in Artikel 3.4 vor, dass die Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht haben, Gesetze zu erlassen und zu regeln, um ihre Gesundheitspolitik umzusetzen. Die laufenden Verhandlungen zur Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften sehen keine Änderung an dieser Kompetenzordnung vor.

 

Schliesslich ist auch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der laufenden Teilrevision EpG an der Kompetenz der Schweiz, selbständig darüber zu entscheiden, welche epidemienrechtliche Gesundheitslage in der Schweiz gilt, nichts geändert werden soll (siehe dazu Art. 6 Bst. b und Art. 6b Abs. 1 der Vernehmlassungsvorlage zur Revision des Epidemiengesetzes [VE-EpG] sowie Art. 5a i.V.m. Art. 6 VE-EpG). Nach der laufenden Vernehmlassung wird der Gesetzesentwurf dem Parlament unterbreitet.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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NR Marcel Dettling
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