Der Bundesrat wird beauftragt, mit gezielten Unterstützungsmassnahmen für Lehrbetriebe, wie etwa Steuerabzüge, Weiterentwicklung des Konzepts Lehrbetriebsverbünde, sowie durch regulatorische und administrative Erleichterungen, dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Falls nötig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.
Grund des Vorstosses:
Alles läuft in Richtung Akademisierung: sei es in den Köpfen der Eltern, in den Medien und sogar in den HR-Abteilungen der grossen Firmen. Dies manifestiert sich dann auch bei der Verteilung der öffentlichen Finanzen. Für einen Gymnasiasten gibt die öffentliche Hand einiges mehr aus als für einen gleichaltrigen Lernenden. Hier werden die Lehrbetriebe und Berufsverbände zur Kasse gebeten.
Diese finanzielle Ungleichbehandlung widerspricht dem vielgelobten dualen Berufsbildungssystem, welches als wichtige wirtschaftliche Basis dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirkt. In der ganzen Diskussion um Lehrlings-, Arbeits- und Fachkräftemangel gehen häufig unsere Lehrbetriebe und die Berufsbildner vergessen. Sie leisten mit ihrem Engagement für den Beruf, ihrer Unterstützung von jungen Leuten und ihrer wertvollen Ausbildung von Fachkräften einen enorm wichtigen Anteil für unsere KMU-Wirtschaft. Sie sind es, die es ermöglichen Fachkräfte überhaupt professionell auszubilden und auf den Markt zu bringen. Von dieser Ausbildung profitiert im Endeffekt die ganze Gesellschaft.
Gute Lehrbetriebe werden aber immer seltener – die Belastung und Anforderung, sei es administrativ, aber auch finanziell werden immer grösser. Das führt zunehmend dazu, dass Lehrbetriebe nicht mehr gewillt sind, Lernende auszubilden. Vor dem Hintergrund aber, dass wir zwingend Lehrbetriebe benötigen, welche gute Fachkräfte ausbilden, die unsere KMU-Wirtschaft unbedingt benötigen, sollten Lehrbetriebe substanziell entlastet und gefördert werden. Mit einem Steuerabzug für Lehrbetriebe könnte ihnen beispielsweise die Unterstützung und Wertschätzung zukommen, die sie verdienen. Lehrbetriebe brauchen mehr Gehör, Wertschätzung und Entlastung, so dass wir auch in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte und auch vor allem auch noch Handwerker in der Schweiz haben.
Antwort des Bundesrates:
Im Zentrum der dualen Schweizer Berufsbildung steht die Bereitschaft und das Engagement der Unternehmen, junge Menschen und Erwachsene auszubilden. Dabei ist es entscheidend, dass sich die berufliche Grundbildung aus Sicht der Betriebe lohnt. Um ein aktuelles Bild der betrieblichen Kosten und Nutzen zu erhalten, hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung (EHB) mit einer Kosten-Nutzen-Erhebung beauftragt, welche letzmals 2019 veröffentlicht wurde. Es ist die insgesamt vierte Erhebung dieser Art. Die Ergebnisse der nächsten Erhebung werden 2025 publiziert. Die Erhebung der EHB bei rund 5700 Ausbildungsbetrieben zeigt, dass sich die Ausbildung von Lernenden für die Betriebe lohnt. Im Schnitt über alle Lehrberufe betrug der Nettonutzen gut 3000 Franken pro Lehrjahr und Lehrverhältnis.
Um zu eruieren, wie die Lehrbetriebe entlastet werden können, hat das SBFI eine Studie in Auftrag gegeben. Der 2021 publizierte Schlussbericht (www.berufsbildung2030.ch > Projekte > abgeschlossene Projekte > Entlastung der Lehrbetriebe durch Regulierungsabbau) enthält eine Reihe von Empfehlungen. Wie im Ende 2022 vom Bundesrat veröffentlichten Bericht «Erhalt und Schaffung von Lehrstellen – Erfolgsfaktoren und Herausforderungen» ausgeführt, setzt sich der Bund zusammen mit den Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt dafür ein, dass Unternehmen optimale Rahmenbedingungen für die Ausbildung von Lernenden vorfinden. Dazu zählt, dass bereits bei der Berufsentwicklung die Bildungspläne die Perspektive der Betriebe berücksichtigen. Mit Projekten wie «TopAusbildungsbetriebe» werden Kurse für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner optimiert. Es steht den Betrieben zudem jederzeit frei, sich zu Lehrbetriebsverbünden zusammenzuschliessen. Der Bund kann gemäss Art. 54 Berufsbildungsgesetz (BBG; SR 412.10) und Art. 63 Berufsbildungsverordnung (BBV; SR 412.101) die ersten vier Jahre eines Lehrvertriebsverbunds mitfinanzieren. In den vergangenen fünf Jahren wurden vier Verbünde mit einem Gesamtbetrag in der Höhe von 1,3 Millionen Franken unterstützt.
Auch die Branchenverbände unterstützen ihre Mitgliedsfirmen bei der Ausbildung der Lernenden. Für die Deckung dieser Aufwendungen stehen nebst den Mitgliederbeiträgen auch Branchenfonds zur Verfügung. Der Bundesrat kann auf Antrag Berufsbildungsfonds für allgemeinverbindlich erklären (Art. 60 BBG). Dadurch werden auch Nicht-Verbandsmitglieder verpflichtet, sich an den Kosten der Ausbildung innerhalb ihrer Branche zu beteiligen. In der Schweiz existieren zurzeit bereits rund 30 allgemeinverbindlich erklärte Berufsbildungsfonds.
Von einem Steuerabzug oder einer finanziellen Entschädigung für Unternehmen, um damit die Zahl der angebotenen Lehrstellen möglicherweise zu erhöhen, ist aus Sicht des Bundes jedoch Abstand zu nehmen. Sowohl wissenschaftliche Untersuchungen wie auch Erfahrungen aus anderen Ländern weisen darauf hin, dass finanzielle Anreize eine bescheidene Wirkung auf die Zahl der Lehrstellen entfalten, jedoch hohe Kosten verursachen, was zu einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis führt. Zudem besteht die Gefahr, dass Betriebe, die sich neu zu einer Ausbildung bewegen liessen, Lernende als billige Arbeitskräfte einsetzen könnten, so dass die Qualität der Ausbildung nicht gewährleistet wäre.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Erkenntnisse sowie der bereits ergriffenen Massnahmen sieht der Bundesrat aktuell keinen zusätzlichen staatlichen Handlungsbedarf.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Chronologie:
Annahme
13.06.2024
Nationalrat