20.224435 KVG. Schutz der Bevölkerung vor einer Prämienexplosion ohne Mehrwert

Grund des Vorstosses:

Der jüngste Anstieg der Kosten für die Krankenversicherung um durchschnittlich 6,6 Prozent gibt zu Besorgnis Anlass, und eine Trendwende ist leider nicht in Sicht. Vor dem Hintergrund von Inflation und wirtschaftlicher Stagnation oder gar einer drohenden Rezession muss die Bevölkerung vor Prämienanstiegen geschützt werden, die für sie keinen Mehrwert bringen. Konkret besteht genau diese Gefahr, wenn die neue, momentan diskutierte Tarifstruktur für den ambulanten Bereich TARDOC in Kraft tritt, was voraussichtlich 2025 der Fall sein wird.Der Bundesrat, der den Grundsatz der statischen und der dynamischen Kostenneutralität aus dem Gesetz abgeleitet hat, muss daher gestärkt werden. Die dynamische Kostenneutralität bringt bei der Einführung des neuen Tarifs für den ambulanten Bereich TARDOC stabile Kosten während mindestens drei und höchstens fünf Jahren.Zur Erinnerung: Bisher haben alle Tarifrevisionen im KVG zu einem starken Kostenanstieg geführt, ohne dass dies für die Patientinnen und Patienten einen Mehrwert gebracht hätte. Beim Wechsel zur neuen Spitalfinanzierung, die seit 2012 in Kraft ist, kam es zu einem Kostenanstieg von mehr als 10 Prozent für die Versicherten und mehr als 12 Prozent für die Kantone und die Steuerzahlerinnen und -zahler. Solche inakzeptablen Mehrkosten ohne Gegenleistung gilt es zu vermeiden, vor allem auch weil in den höchsten Behördenkreisen erhebliche Zweifel daran bestehen, ob man sich auf das Konzept der Kostenneutralität der an TARDOC (Version 1.3) Beteiligten verlassen kann.

Antwort des Bundesrates:

Der Bundesrat teilt die Auffassung des Motionärs, dass ein Wechsel eines Tarifmodells nicht zu höheren Kosten bei gleichbleibendem Leistungsvolumen und gleicher Qualität führen darf. Das in Artikel 46 Absatz 4 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) festgehaltene Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit wird in Artikel 59c der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) präzisiert. Nach Artikel 59c Absatz 1 Buchstabe c KVV darf ein Wechsel eines Tarifmodells keine Mehrkosten verursachen.Daher prüft der Bundesrat als Genehmigungsbehörde von nationalen Tarifstrukturen (wie z.B. zuletzt bei ST Reha oder TARDOC) seit Jahren die Einhaltung der Kostenneutralität. So war denn auch die nicht eingehaltene Kostenneutralität ein Grund für die Nicht-Genehmigung von TARDOC 1.3 durch den Bundesrat im Juni 2022. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2021 zur Motion Bircher 20.4306 «KVG. Dynamische Kostenneutralität während mindestens fünf Jahre sicherstellen» ausgeführt hat, wurde den Tarifpartnern die Rahmenbedingung der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit, welche als gesetzliche Vorgabe bei der Erarbeitung von Tarifstrukturen berücksichtigt werden muss, erläutert. Diese besagt, dass die Kostenneutralität auf Ebene der Struktur eingehalten werden muss. Bei gleichem Leistungsangebot (gleiche Qualität und Menge der erbrachten Leistungen) dürfen somit grundsätzlich keine Kostensteigerungen resultieren. Eine neue Tarifstruktur darf daher grundsätzlich zu keinen Kostenerhöhungen führen, welche direkt auf die neue Struktur zurückzuführen sind. Für ein gegebenes Datenjahr soll aus der Tarifstruktur somit das gleiche Leistungsvolumen resultieren, wie die vorhergehende Tarifstruktur für dasselbe Jahr (statische Kostenneutralität).Die Tarifpartner müssen bei Einreichung eines Antrags auf Genehmigung einer revidierten oder neuen Tarifstruktur aufzeigen, wie verhindert werden soll, dass die effektive Anwendung der Tarifstruktur in den Jahren nach deren Einführung zu einer ungerechtfertigten Zunahme des abgerechneten Leistungsvolumens führt (dynamische Kostenneutralität). Es braucht somit auch eine Kontrolle der Entwicklung des Leistungsvolumens (Vergleich Soll-Entwicklung und Ist-Entwicklung) sowie Korrekturmassnahmen für den Fall, dass die dynamische Kostenneutralität nicht erfüllt wird. Welche Dauer für die Sicherstellung der dynamischen Kostenneutralität notwendig ist, ist auch von der Komplexität der Tarifstruktur sowie von deren Kostenvolumen abhängig und muss daher von Fall zu Fall beurteilt werden.Die Kostenneutralität ist somit auf Verordnungsstufe bereits verankert und kommt in der Praxis seit Jahren zur Anwendung. Die Prüfung, ob diese Vorgabe erfüllt wird, nimmt der Bundesrat im Rahmen der Genehmigungsprozesse vor. Eine zusätzliche gesetzliche Regelung zur Kostenneutralität ist daher nicht notwendig.Weiter haben die Eidgenössischen Räte am 30. September 2022 den Vorschlag des Bundesrates für eine gesetzliche Regelung im Sinne einer Präzisierung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im Kostendämpfungspaket 1b (www.bag.admin.ch > Versicherungen > Krankenversicherung > Laufende Revisionsprojekte > KVG-Revision: Massnahmen zur Kostendämpfung – Paket 1) verabschiedet. Die Regelung führt ein Monitoring der Entwicklung der Mengen, Volumen und Kosten sowie entsprechende Korrekturmassnahmen in Tarifverträgen ein. Auch mit dieser Massnahme wird dem Anliegen der Motion Rechnung getragen. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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