Elektrische Energie wird in der Versorgung der Schweiz künftig eine noch grössere Rolle einnehmen als bislang. Denn auch der Strassenverkehr wird zunehmend elektrifiziert, mit batteriebetriebenen Personen-, Liefer- und Lastwagen. Auch der strassenbasierte öffentliche Verkehr setzt zunehmend auf Fahrzeuge, die über das Stromnetz aufgeladen werden müssen. Und unsere Heizungssysteme sollen in den kommenden Jahren auf elektrisch betriebene Wärmepumpen umgestellt werden.
Gleichzeitig hat der Bundesrat jüngst vor der steigenden Gefahr einer Strommangellage gewarnt und entsprechende Vorkehrungen in die Wege geleitet. Dennoch ist in vielen Branchen die Unsicherheit über die künftige Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung gross, wenn immer mehr Verbraucher hinzukommen, aber die Stromproduktion kaum ausgebaut wird. Daher bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:
1. Hält es der Bundesrat für nötig, angesichts steigender Risiken von Strommangellagen eine Priorisierung der Stromversorgung festzulegen?
2. Falls ja, wie sähe diese Priorisierung der Bezüger aus Sicht des Bundesrats aus (Heizungen, bestimmte Einrichtungen, Branchen etc.)?
3. Gedenkt der Bundesrat, bei einer Strommangellage einzelne Energieabnehmer per Notrecht vom Netz trennen zu lassen (z.B. ladende Fahrzeuge)?
4. Falls ja, in welcher Priorisierung und Reihenfolge soll dieser Lastabwurf erfolgen?
5. Welche weiteren Massnahmen hält der Bundesrat etwa beim Ausbau der (inländischen) Stromversorgung und des -netzes für nötig, damit eine Strommangellage vermieden werden kann?
Antwort des Bundesrates:
1 und 2.
Für den Bundesrat steht die Sicherstellung der Stromversorgung für alle Endverbraucher im Vordergrund. Eine Priorisierung bestimmter Verbrauchergruppen ist nicht vorgesehen. Nur im Falle einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Strommangellage, der die Wirtschaft nicht selber zu begegnen vermag, kann der Bundesrat gestützt auf das Landesversorgungsgesetz (LVG; SR 531) Strombewirtschaftungsmassnahmen mittels Verordnung erlassen.
In diesem Rahmen hat er auch den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der Bewirtschaftungsmassnahmen festzulegen und kann anlässlich der Beurteilung der konkreten Versorgungslage und unter Berücksichtigung der jeweiligen Krisensituation sowie der technischen Möglichkeiten über allfällige Priorisierungen bzw. Ausnahmeregelungen für bestimmte Verbraucher entscheiden.
3.
Um im Falle einer schweren Strommangellage den Verbrauch elektrischer Energie für bestimmte Verbraucher einzuschränken oder zu verbieten, muss der Bundesrat nicht auf Notrecht zurückgreifen. Gestützt auf das LVG verfügt der Bundesrat über die dafür notwendigen Kompetenzen.
4.
Damit bestimmte Stromverbraucher resp. Gruppen von Stromverbrauchern zielgerichtet flächendeckend durch Dritte (z.B. Verteilnetzbetreiber) abgeschaltet werden können, sind entsprechende Regel- und Steuersysteme notwendig. Das Schweizer Stromnetz bietet diese Möglichkeit heute nicht. Hingegen können wie unter Antwort zur Frage 3 ausgeführt die Nutzung bestimmter elektrischen Anwendungen mittels Verordnung eingeschränkt oder verboten werden. Dabei müssen die angeordneten Massnahmen immer dem Prinzip der Verhältnismässigkeit genügen. In einem ersten Schritt würden die Einschränkungen und Verbote auf den Komfort- und Freizeitbereich fokussieren.
5.
Der Bundesrat setzt auf vier Säulen, um die Stromversorgungssicherheit zu stärken und durch diese Verbesserungen der Rahmenbedingungen auch einer Strommangellage entgegenzuwirken: Erstens auf den raschen Ausbau der inländischen erneuerbaren Energien sowie die Reduktion des Verbrauches. Zweitens auf den Ausbau sicher abrufbarer, ans Schweizer Netz angeschlossener, klimaneutraler Stromerzeugung im Winter, in erster Linie durch Speicherwasserkraft. Drittens auf eine strategische Energiereserve als erste Versicherungslösung für den Fall ausserordentlicher Knappheitssituationen, welche er vorgezogen in Form einer Wasserkraftreserve bereits für den kommenden Winter einführen will. Und viertens auf die Einrichtung einer zweiten komplementären Absicherung mittels Reserve-Kraftwerken. Diese Massnahmen sind zurzeit in Arbeit. Schliesslich will der Bundesrat Bewilligungsverfahren für bedeutende Wasserkraft- und Windenergieanlagen beschleunigen; dazu wird aktuell eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage ausgewertet.
Antwort des Bundesrates.