20.223438 Der Bundesrat führt die Bevölkerung verstärkt in die Abhängigkeit

Antwort des Bundesrates:

In der Frühlingssession 2021 hat das Parlament entschieden, gewisse Bestimmungen der sistierten Agrarpolitik ab 2022 (AP22+), welche die Pflanzenschutzmittel und die Nährstoffüberschüsse betreffen, im Rahmen ihrer parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» umzusetzen. Das Parlament hat diesen Entscheid in Kenntnis der in der Botschaft zur AP22+ beschriebenen Auswirkungen getroffen. Mit dem Verordnungspaket zur pa. iv. 19.475 setzt der Bundesrat die entsprechenden Gesetzesbestimmungen.1. und 5. Der im Jahr 2017 vom Schweizer Volk angenommene Artikel 104a der Bundesverfassung verlangt, dass der Bund die Voraussetzungen schafft, damit die Ernährungssicherheit in der Schweiz langfristig gewährleistet bleibt. Die mit dem Verordnungspaket zur parlamentarischen Initiative 19.475 beschlossenen Massnahmen tragen dazu bei, essentielle Produktionsgrundlagen für die Inlandproduktion wie fruchtbare Böden und Biodiversität langfristig zu erhalten, damit die Schweizer Landwirtschaft auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der inländischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln leisten kann.2. und 3. In welchem Umfang Nahrungsmittel in die Schweiz importiert werden, ist unter anderem vom Grenzschutz, dem Bevölkerungswachstum, den Preisentwicklungen auf den in- und ausländischen Märkten und der Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz abhängig. Ebenso können auf der Angebotsseite wetterbedingte Ernteschwankungen eine wichtige Rolle spielen. Kurzfristig können Massnahmen für den langfristigen Erhalt der Produktionsgrundlagen (Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität etc.) die inländische Kalorienproduktion reduzieren, mittel- und längerfristig stärken sie aber die Inlandproduktion und vermindern damit die Importabhängigkeit. Wichtig ist zu erwähnen, dass die Hauptursache der weltweiten Hungerproblematik nicht die zu tiefe globale Nahrungsmittelproduktion ist, sondern der fehlende Zugang zu Nahrungsmitteln aufgrund von Armut und logistischen Problemen. Schädlich sind auch Exportrestriktionen. Die Schweiz setzt sich deshalb im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit für die wirtschaftliche Entwicklung in den von Armut betroffenen Ländern und gegen Exportrestriktionen ein. Welche Anstrengungen sie zur Bewältigung der aktuellen Krise ergreift, hat der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Badertscher (22.3309 «Hungerkrise weltweit. Was macht die Schweiz?») erläutert. In Bezug auf die Importländer ist zu erwähnen, dass die Nahrungsmittelimporte in die Schweiz hauptsächlich aus dem EU-Raum stammen, der nicht von Hunger bedroht ist.4. Mit den Massnahmen des Verordnungspakets zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 und weiteren bereits beschlossenen Massnahmen (z.B. Pflicht zur emissionsarmen Güllelagerung und -ausbringung) können nach neuen Erkenntnissen die Phosphorüberschüsse um rund 18 Prozent und die Stickstoffüberschüsse um rund 11 Prozent reduziert werden. Die vom Parlament verabschiedete parlamentarische Initiative 19.475 sieht gemäss Artikel 6a Absatz 3 des Landwirtschaftsgesetztes (LwG, SR 910.1) vor, dass die Branche zusätzliche Massnahmen zur Senkung der Nährstoffüberschüsse ergreift. Ein ambitionierter Absenkpfad, der die Beteiligung der Branche durch eigene Massnahmen erfordert, entspricht somit dem Willen des Gesetzgebers. Es liegt im Eigeninteresse der Landwirtschaft, die Stickstoffverluste so weit wie möglich zu reduzieren, vermindert sie doch dadurch die Abhängigkeit von den zu 100 Prozent importierten stickstoffhaltigen Mineraldüngern, indem der vorhandene Hofdünger effizienter eingesetzt wird. Ob die definierten Ziele erreicht werden, hängt einerseits von der Beteiligung der Landwirtschaft an den Massnahmen des Bundes und anderseits von der Wirksamkeit der von der Branche ergriffenen Massnahmen ab. Sollte sich abzeichnen, dass die Ziele gemäss Absenkpfad nicht erreicht werden, kann der Bundesrat auf Verordnungsstufe zusätzliche Massnahmen ergreifen oder bestehende Massnahmen optimieren, um die Land- und Ernährungswirtschaft bei der Zielerreichung zu unterstützen.6. Der Brutto-Selbstversorgungsgrad betrug in den Jahren 2018 bis 2020 im Durchschnitt 57 Prozent. Der leichte Rückgang in den letzten Jahren ist darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung in der Schweiz stärker gewachsen ist als die inländische Kalorienproduktion. Unter Berücksichtigung der weiterhin steigenden Bevölkerung und der abnehmenden landwirtschaftlich genutzten Flächen kann der Selbstversorgungsgrad nur gehalten werden, wenn das Dauergrünland mit standortangepasster Nutzungsintensität zur Milch- und Fleischproduktion genutzt wird und auf der Ackerfläche vermehrt Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung angebaut werden. Wichtig ist auch, dass Veränderungen auf Stufe Produktion synchron erfolgen mit Anpassungen auf Stufe Konsum. Zudem müssen die Lebensmittelverluste reduziert werden und die Landwirtschaftsböden müssen quantitativ und qualitativ erhalten bleiben. Bezüglich der Lebensmittelverluste hat der Bundesrat am 6. April 2022 einen Aktionsplan verabschiedet mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren. Für eine umfassende Beurteilung der Ernährungssicherheit greift der Selbstversorgungsgrad jedoch zu kurz, da er wichtige Faktoren wie die hohe Importabhängigkeit bei den landwirtschaftlichen Produktionsmitteln (Energie, Dünger, Saatgut, Pflanzenschutzmitteln, Maschinen etc.) oder die ökologische Tragfähigkeit der Produktion nicht berücksichtigt. Antwort des Bundesrates.

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NR Marcel Dettling
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