20.223105 Durch eine Reihe von konkreten dringenden und befristeten Massnahmen die wegen der Situation in der Ukraine unmittelbar bevorstehende Lebensmittelkrise abwenden, indem die Lebensmittelproduktion gewährleistet und gestärkt wird

Grund des Vorstosses:

Die gegenwärtige Situation in der Ukraine wird rasch zu einer weltweiten Lebensmittelkrise führen, die Jahre anhalten und auch die Schweiz nicht verschonen wird.Um dieser Situation vorzubeugen, beauftrage ich den Bundesrat, eine Reihe von Massnahmen zu ergreifen, die insbesondere die untenstehenden Punkte betreffen. Diese Massnahmen zielen nicht darauf ab, die Umweltbemühungen zu schwächen, sondern darauf, auf konkrete und verantwortungsvolle Weise die Versorgung unserer Landesbevölkerung mit Schweizer Lebensmitteln sicherzustellen. 1. 3500 Hektare Land werden für unproduktive Flächen wie Brachland, Ackerschonstreifen oder Saum auf Ackerfläche verwendet. Brachliegendes Land muss unbedingt vorübergehend für den Anbau von Kulturen genutzt werden, welche die Lebensmittelproduktion gewährleisten.2. Im nächsten landwirtschaftlichen Verordnungspaket will der Bundesrat 3,5 Prozent der 400 000 Hektare Ackerfläche, also 14 000 Hektare für die Förderung der Biodiversität vorsehen. Diese Massnahme muss unbedingt sistiert werden, um den Lebensmittelanbau auf der Gesamtheit der Ackerflächen zu ermöglichen.3. Im Rahmen der Nährstoffbilanz müssen die Massnahmen, welche die Lebensmittelproduktion reduzieren sollen, aufgeschoben werden. Ausserdem muss eine Toleranzmarge für Hilfsstoffanteile eingeführt werden.4. Mehr als drei Viertel des in die Schweiz importierten Sojaschrots stammt aus der Ukraine und ein Mangel an Eiweissquellen zur Fütterung von Tieren steht kurz bevor. Daher muss die Nutzung von tierischen Eiweissen, die für gewisse Tierkategorien wie Geflügel und Schweine angepasst sind, wieder zugelassen werden. 5. Um unsere ungenügenden Lebensmittelbestände auf eine schwerwiegende Lebensmittelkrise vorzubereiten, muss die Produktion von Brotgetreide, Ölsaaten, Kartoffeln, Gemüse, Zucker usw. gefördert werden.6. Zur Umsetzung dieser Massnahmen werden neue Geldmittel zur Verfügung gestellt.

Antwort des Bundesrates:

Die Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen Produktions- und Nahrungsmitteln ist derzeit gewährleistet. Wenn eine schwere Mangellage bei der Versorgung von Nahrungs- und Produktionsmitteln eintritt, kann der Bund in erster Linie Pflichtlager von Nahrungs-, Futter- und Düngemitteln freigeben, die Importe fördern, Abgaben an der Verkaufsfront beschränken und Nahrungsmittel rationieren. Erst wenn sich eine schwere, über ein Jahr andauernde Mangellage abzeichnet, kommen gegebenenfalls Massnahmen zur Optimierung der inländischen landwirtschaftlichen Produktion in Frage. Agroscope hat 2017 im Auftrag der wirtschaftlichen Landesversorgung mit dem Modellsystem DSS-ESSA die Potenziale der inländischen Produktion analysiert. Der Bericht «Ernährungspotenzial der landwirtschaftlichen Kulturflächen» dazu wurde publiziert (www.bwl.admin.ch > Themen > Lebensmittel > Nahrungsmittel > Anbauoptimierung > Potenzialanalyse) und zeigt, dass bei Vorhandensein aller nötigen Produktionsmitteln und bei idealen Witterungsbedingungen der minimale Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung gedeckt werden könnte. Die Versorgung würde sich auf die Gewährleistung von 2300 kcal pro Kopf und Tag beschränken und dabei stark von den heutigen Konsumgewohnheiten unterscheiden.Für das laufende Jahr kann die Produktion nicht mehr wesentlich verändert werden, da die meisten Kulturen bereits angesät und für die geplanten Kulturen Produktionsmittel wie Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel grossmehrheitlich beschafft sind. Daher wären kurzfristige Massnahmen nahezu wirkungslos. Für die Verbesserung der Versorgungssicherheit ist auch wichtig, dass keine Lebensmittel verschwendet werden. Am 6. April 2022 hat der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren. Die vorgeschlagenen Massnahmen beurteilt der Bundesrat bezüglich Stärkung der inländischen Produktion folgendermassen:1. Die Nutzung bisheriger Biodiversitätsförderflächen auf der Ackerfläche würde nur zu einer marginalen zusätzlichen Produktion führen, weil diese Flächen weniger als 1 Prozent der Ackerfläche im Inland umfassen. Zudem stärken Biodiversitätsförderflächen im Ackerbaugebiet die langfristige Produktivität der übrigen Ackerflächen.2. Der Bundesrat hat am 13. April 2022 entschieden, die im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» vorgeschlagene Massnahme eines minimalen Anteils von Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau erst auf 2024 einzuführen.3. Bei der Nährstoffbilanz ist es zweckmässig, dass der Fehlerbereich von 10 Prozent aufgehoben wird. Angesichts der tendenziell zunehmenden Knappheit der Mineraldünger und der damit einhergehenden höheren Preise müssen die inländischen Hofdünger effizienter eingesetzt werden. Damit kann auch die Abhängigkeit von importiertem Mineraldünger reduziert werden, denn Mineraldünger wird seit 2018 vollständig importiert. Am gesamten Düngerverbrauch weisen Mineraldünger einen Anteil von 23 Prozent bei Stickstoff und 22 Prozent bei Phosphor auf.Die Aufhebung des Fehlerbereiches leistet ausserdem einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Stickstoff- und Phosphorverluste und damit zur Erreichung der Ziele gemäss dem im Rahmen der parlamentarischen Initiative 19.475 beschlossenen Absenkpfad für Nährstoffverluste.4. Der Bundesrat unterstützt die Wiederverwertung von bestimmten tierischen Eiweissen für die Nutztierfütterung, auch wenn der Einsatz wegen des BSE-Risikos stark eingeschränkt bleibt. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen arbeitet derzeit an einer Änderung der Verordnung über tierische Nebenprodukte im Einklang mit den EU-Vorschriften. Das Inkrafttreten der Änderung wird im Laufe des Jahres 2023 angestrebt.5. Die inländische Produktion von Brotgetreide, Ölsaaten, Kartoffeln, Gemüse und Zucker muss auf die Nachfrage und die Ernte-, Lager- und Verarbeitungskapazitäten abgestimmt sein. Der Bundesrat wird im Rahmen der Erfüllung der Postulate 20.3931 und 21.3015 «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» aufzeigen, mit welcher Strategie die Versorgungssicherheit für die heutige und auch für zukünftige Generationen gewährleistet werden kann.6. Der Bundesrat erachtet es zurzeit nicht als notwendig die finanziellen Mittel zur Förderung der Landwirtschaft zu erhöhen. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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NR Marcel Dettling
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